Sonntag, 6. Oktober 2019

Entwicklung der Geisha & Oiran: Kurtisanen in Vorzeit und Altertum (-794) [Nara-Zeit]



Die frühesten schriftlichen Zeugnisse zum Kurtisanentum in Japan stammen aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. Aus diesem Jahrhundert stammen gleichzeitig die ältesten noch erhaltenen Dokumente Japans. Da die Kurtisanen in diesen Dokumenten schon wie selbstverständlich zum Alltag mächtiger Hofadliger gehörten, wird ihre Geschichte wahrscheinlich noch weiter zurückreichen. Auch alte japanische Mythen mit einem Zusammenhang von Weiblichkeit, Sexualität, Religion und Kunst lassen darauf schließen.

Die Zeit von 710 bis 794 n.Chr. wird im japanischen als Nara-Zeit oder Nara-Periode bezeichnet.



Studien zur Entstehung des Kurtisanentums


die Wichtigsten stammen von Yanagida Kunio (Ethnologe), Nakayama Tarō (Ethnologe) und Takigawa Masajirō (Rechtshistoriker). Die ersten beiden ordnen das Kurtisamentum unter dem Oberbegriff 'Prostitution' ein, während Der Rechtshistoriker sie als Unterhaltungskünstlerinnen ansieht.  Es gibt natürlich noch viele weitere Forscher und auch Theorien zur Entstehung. Einige davon möchte ich hier (inspiriert durch Michael Stein, der sich genau damit befasste in seinem Buch über japanische Kurtisanen) aufzeigen. Es sei darauf hingewiesen, dass selbst die Forscher sich nicht immer einig sind und es verschiedene Theorien geben mag, gerade, wenn Dokumente über frühere Zeiten nicht enthalten sind etc.


Geheimnissvolle Priesterinnen


Herrscherin Jingū

picture: https://www.univie.ac.at/
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In der chinesischen "Weizhi" Chronik (die im Jahr 297 n.Chr. vollendet wurde) wird von einer Reise einer Gesandschaft nach Japan geschrieben, im frühen 3. Jh. Es wird eine Priesterin-Regentin namens Himiko erwähnt, deren sich eine Anzahl unabhängiger Domänen zu einem Reichsverband angeschlossen haben. Himiko blieb laut Aufzeichnungen ledig und herrschte als oberste Priesterin. Ihr Bruder, ihr als Minister (eigentlich Helfer) untergeordnet, war ihr Medium beim Verkünden ihrer Orakel.  In den -mit Legenden durchzogenen- japanischen Chroniken Kojiki und Nihon shoki wird sie allerdings nicht erwähnt. Aber in diesen wird in späterer Zeit von einer ähnlichen Regentin mit schamanistischen Funktionen gesprochen: Okinaga Tarashihime no Mikoto (oder auch Jingū). Sie war ebenfalls als Priesterin tätig und verkündete Orakel und wird als kriegerisch beschrieben. Es ist jedoch umstritten, ob sie wirklich existiert hat.


Die Weiblichkeit als Fruchtbarkeitssymbol


Der Zusammenhang zwischen Machtausübung und Priestertum der Frau beruht wahrscheinlich auf eine magische Kraft, auf die nur Frauen verfügen: Der weiblichen Sexualität. Das war nicht nur in den Anfängen der Kultur Japans so, auch in Europa etwa gab es Statuen, wonach Frauen als Fruchtbarkeitssymbol galten.
Im Kojiki gibt es den Mythos der Göttin Oogetsuhime: Sie wurde vom Sturmgott erschlagen und aus allen Körperöffnungen sprossen Getreidesorten, aus der Vagina der Weizen. In der frühen Shintō-Religion spielen Sexualität und weibliche Genitalien eine entscheidende Rolle. Eine weitere Mythologie, die zeigt wie wichtig den Menschen dies in früher Vorzeit war, ist die Geschichte der Gottheit Ame no Uzume no Mikoto, die einen schamanistischen Tanz aufführte bei dem das Geschlechtsteil entblöst wurde, um die verärgerte Sonnengöttin Amaterasu aus ihrem Versteck zu locken. Es gibt noch eine weitere Legende in der Ame no Uzume no Mikoto erst Brüste und dann weiteres entblöst und lacht, um einen männlichen Gott in eine Lage zu bringen, in der er keinen Rat mehr weiß. Amaterasu wird schließlich von dem Gelächter aller Götter hervorgelockt.
Ihr aufgeführter Tanz gilt im Shint
ō als Urform des shintōistischen Sakraltanzes "Kagura". Im Altertum sollen demnach Schamaninnen in religiöser Ekstase durch Entblößung ihrer Genitalien Zauberkräfte entfaltet haben. Gleichzeitig geht daraus hervor, dass der Tanz in der japanischen Tradition sowohl erotische, aber auch unterhalterische Elemente mit schamanistischen Funktionen verbindet.


Der Wandel im Denken - Frauen als Beute in Kriegen

Der Respekt, aber auch die Furcht vor der Weiblichkeit und ihrer magischen Kraft waren ursprünglich in diesen ersten datierten Zeiten noch vorhanden, ehe sie später über die Zeit  immer weiter verloren gingen und sich ins Gegenteil kehrten und der Respekt vor den Frauen sank und Männer sich ihnen überlegen fühlten. Die Ehrfurcht und das Staunen vor der Magie und Göttlichkeit vor der weiblichen Sexualität wich einem nüchternen Blick für deren Reize und Nutzbarkeit. Frauen wurden schließlich durch Kriege erobert und auch versklavt. Während in Kriegen die Männer des Feindes getötet wurden, wurden die Frauen jedoch meist gefangen genommen, versklavt und enteignet. Weil sie waren unkriegerisch und nützlich. In den chinesischen Schriftzeichen etwa steckt in "Sklavin" das Zeichen für "Frau", aber auch im männlichen Pendant "Sklave" steckt das Schriftzeichen für "Frau". Deshalb wird historisch angenommen, dass ursprünglich vielleicht nur Frauen versklavt wurden (Die japanische Schrift stammt vom chinesischen und im heutigen Sklaven (Dorei,

奴隷) steckt immer noch das Schriftzeichen für Frau (女, Onna)). Gleichzeitig stecken auch in den Schriftzeichen für "sich friedlich einigen" und "Friedensschluss" das Schriftzeichen "Frau" ().Das Element für sich allein kann auch "intime Beziehung, Geschlechtsverkehr" bedeuten und deutet auf einen wichtigen Verwendungszweck dieser weiblichen Beute. Man nimmt zumindest an, dass mit den Frauen um das 4.Jh. n.Chr. herum in Kriegen nicht anders verfahren wurde.


Mögliche Entstehung der Kurtisanen

Man nimmt an, dass die zu Zeiten des Kaisers
Ingyō im 5.-6.Jh. verschenkten weiblichen Verwandten später durch Frauen ersetzt wurden, die sich auf entsprechende Dienstleistungen spezialisiert hatten.
Wer nicht über Nebengemahlinnen, Töchter, Schwestern gebot und ein hochgestellter Edelmann war, musste anderweitig Abhilfe schaffen. Aus diesen Bräuchen ergab sich eine Nachfrage an jungen Frauen, die für Entgelt umfassend die Betreuung der Männer der sie zugestellt wurden, übernahmen. Dabei mussten sie nicht nur unterhalterische, sondern auch sexuelle Dienste übernehmen. Damals jedoch war die Stellung der Sexualität noch anders: unterhalterische und sexuelle Betreuung  waren eine selbstverständliche Kombination und waren nicht im geringsten vergleichbar mit dem, was wir heute unter Prostitution verstehen. Laut Michael Stein wird dies untermauert mit 2 zusammengehörigen Liedern, die in der lyrischen Anthologie "
Man'yōshū" aufgezeichnet sind, in dem ein Mädchen zur Einweihung eines neuen Palastes gerufen wird:

"Für des neuen Palastes
Wände Schilfgras zu schneiden,
Kommet alle herbei!
Gleich dem Schilfgras
schmiegt das Mädchen sich an,
 Dem Herrn ganz zu Willen!

Es stampft das Mädchen, zu bannen
Die Geister des neuen Palastes,
Daß ihr Armschmuck erklingt.
Gleich dem Armschmuck
Strahlend der Herr-
 Er rufe nun alle herein!"

Das Lied zeigt auf, wie Helfer zum Palast herbei gerufen werden, während eine junge Frau bei der Einweihnungsfeier schamanistisch die Aufgabe der Geisterbannung durch rituellen Tanz übernimmt, aber auch die Rolle als Unterhalterin des Herren. Gleichzeitig wird sichtbar, dass Tanz nicht nur rituell sondern auch unterhalterisch war und das zur Unterhaltung des männlichen Publikums auch sexuelle Hingabe gehörte. Diese junge Frau im Lied könnte eine Vorläuferin der Kurtisanen sein.

Kurtisanen der Frühzeit wurden als ledige Frauen wie andere auch angesehen und nicht als Dirnen oder abschätzig behandelt. Dadurch hatten sie auch keine Schwierigkeiten, Ehemänner zu finden, da die Gesellschaft damals der Jungfräulichkeit keine Bedeutung schenkte, es gab nicht einmal ein eigenes Wort in der alten japanischen Sprache dafür.



Miko -  die Schamaninnen und ihr Bezug zum Kurtisanentum


Eine Miko als Amaterasu (Göttin);
unbekannter Künstler der Edo-Periode.

picture: https://www.livingwithkami.com/post/158880734170/
onna-musha-a-miko-as-amaterasu-unknown-edo#_=_
Als Relikt aus dem Glauben der Vorzeit blieb im Shintōismus noch lange der Brauch erhalten, dass nur ledige Frauen, welche ein Leben ohne Gatte gewillt zu leben waren, Schamaninnen werden konnten. Denn sie waren dann die zauberkundige Gemahlin der Gottheit, der sie dienten. Für Männer waren sie Tabu. Jedoch wurde das immer unterschiedlich im Laufe der Geschichte gelebt: Manch eine Frau war so streng in ihrem Glauben und ihrem Keuchheitsgebot, dass ihre Periode zum Erliegen kam (welche sowieso als kultische Verunreinigung galt), während woanders durchaus Schaminnen weder keuch noch ohne Mann lebten.

Es gab sowohl Miko, die bei einem Heiligtum (also Schrein) blieben und wirkten, während andere durch das Land zogen. Sie wirkten magische Riten gegen Krankheit, für Fruchtbarkeit und gegen böse Geister. Schamaninnen mussten sich jedoch aus ihrem Familienverband lösen und ein eigenständiges Dasein unabhängig von der Gemeinde führen. Dies war ein großes Risiko, da sie sowohl den Schutz der Gemeinschaft, als auch ein gesichertes Einkommen verloren. Andererseits wollten gerade wegen dieser Freiheit Frauen professionelle Unterhalterinnen werden. Selbstständigkeit war Frauen nicht vorgesehen, außer den Miko. Man nimmt deshalb an, dass die Anfänge des Kurtisanentums in Verbindung mit dem Schamanismus gestanden haben.

Eine weitere Grundvorraussetzung der Kurtisanen brachten die Miko ebenfalls mit: Das Beherrschen musischer Künste. Zu religiösen Festen gehörten auch immer Tanz, Gesang, Musik. Miko konnten außerdem Tsuzumi (Handtrommel), Suzu (Schellenstab) und Koto (Zither) spielen. Mit Tänzen wurden Geister beschwört, mit Gesang Wahrsagungen getroffen. Der religiöse Ursprung dieser Künste war im alten Japan kein Hinderungsgrund,  sie auch zur Unterhaltung zu nutzen.

Asobime, ("Spiel-Weib") ist eines der älstesten japanischen Wörter für "Kurtisane" und könnte ebenfalls auf einen Bezug zum Schamanismus hindeuten: Im Sprachgebrauch der Vorzeit wird das Wort "asobi" auch dem religiösen Bereich zugeordnet. Auch das Lieder-Repertoire der Kurtisanen enthält Themen, die auch auf eine Verbindung zwischen beidem hindeutet. Ein beispielhaftes Kurtisanenlied:

"Mein Töchterlein mag jetzt wohl
Zehn Jahr' überschritten haben.
Als Miko soll umher sie streifen,
Die Füßchen in der Tago-Bucht
Mit Meeresbrandung netzen.
Wie werden sich die Fischersleut'
Da alle um sie scharen,
"Welch junges Ding!" wohl rufen und,
Ob man Orakel heischt, ob nicht,
Manch übles Spiel ihr spielen,
Dem armen Mädchen!"
In diesem Kurtisanenlied bedauert eine Mutter ihr Kind, das eine Miko wurde. Das Lied zeigt auf, welcher Weg von der Schamanin zur Kurtisane geführt haben mag. Michael Stein, der sich mit dem Kurtisanentum in Japan befasste, deutet dieses Lied so:

"Der Verlust der vorzeitlichen Ehrfurcht vor der mythischen Magie der weiblichen Sexualität war der Ausgangspunkt, der das Kurtisanentum ermöglichte. Die Kunst, aus dem kultischen Ritus entstanden, wurde zur Unterhaltungskunst, und die archaische Ehrfurcht vor der Magie der Sexualität wich der Begehrlichkeit. Es ist der Mann, der in triebhafter Sinnlichkeit dem ungeschützten, seiner heiligen Unantastbarkeit vertrauenden Mädchen "manch üblen Streich" spielt; welcher Art diese "Streiche" sein mochten, deutet das entsprechende Schriftzeichen   an, das eine Frau 女 darstellt, die von beiden Seiten von Männern 男bedrängt wird: Der moderne Begriff hierfür wäre wohl "sexuelle Belästigung"." (Michael Stein, "Kurtisanen", S. 33)

Es ist nicht genau bekannt, ob Schamaninnen, sich ihren Lebensunterhalt auch mit sexuellen Leistungen erkauften, nachdem die Männer sich nicht daran hielten, sie als Unantastbar zu sehen. Jedoch wird kaum bestritten, dass die Kurtisanen ihre künstlerische Traditionen den Miko verdanken.


Allgemeines zur Nara-Zeit

645 gab es die Taika-Reform: Ein Versuch, die Vormacht der Sippenherren der Provinz zu brechen. Privater Grundbesitz wurde abgeschafft, Abgaben auf landwirschaftlich genutzte Flächen erhoben. Als Gegengabe gab es von der Regierung für die Sippenchefs Landadelsränge. Allerdings wurden vorsichtshalber noch Verwaltungsbehörden in den Provinzen eingerichtet und die Entsendung von Uneme hatte zur Sicherung der Loyalität stattzufinden. Für eine funktionierende Infastruktur mussten das Straßennetz ausgebaut und Reisestationen eingerichtet werden. In ihnen wurde Rast gehalten, es gab Gaststätten und Pferde konnten gewechselt werden. Reisen wurden so erleichtert, waren sie zuvor eher riskant und gefährlich gewesen, weil die Wege noch schlecht gewesen waren und Fremden aus Angst kaum Obdach geboten wurde.
708-958 wurden die ersten Sorten von Kupermünzen geprägt und nach anfänglicher Zögerlichkeit bald genutzt.



Kleidung der Narazeit

Während der Asuka-Zeit (538-710) und Nara-Zeit entwickelten sich die Nähmethoden weiter und die Kleidung wurde länger und breiter. Die Kleidung der Höflinge wurde in drei Gruppen eingeteilt: Gesellschaftskleidung, Hofkleidung und Uniformen, wobei die Farben je nach Rang variierten.
Während der Nara- und der vorhergehenden Asuka-Periode wurden auch Techniken zum Färben von Seide entwickelt. Die Kleidung bestand aus vielen Teilen, einschließlich Ober- und Unterkleidungsstücken, Jacken, einem vorderen Rock und einem hinteren Rock.

Kleidung der Asuka-Periode (vor der Nara-Periode).
Welche gesellschaftliche Schicht genau wann diese Kleidung trug,
ist dabei nicht erwähnt.

picture: http://web.mit.edu/jpnet/kimono/history-asuka.html
Diese Kleidung wird als typische Kleidung der Nara-Zeit angegeben.
Welche gesellschaftliche Schicht sie genau trug, ist dabei nicht erwähnt.

Picture: http://web.mit.edu/jpnet/kimono/history-nara.html





















Beziehung zwischen Mann und Frau

Zur Nara-Zeit war die Beziehung der Geschlechter zueinander ungezwungen. Weder
Shintōismus noch Buddhismus gaben Vorschriften zur Religion, wie es sie etwa in Christentum oder Islam gibt. Aber: Von verheirateten Frauen wurde Treue erwartet. Männer dagegen waren neben der Hauptgattin auch Nebengemahlinnen erlaubt. Ein altes, damaliges Lied besagt:
"Da Ihr, fürwahr, ein Mann seid,
Werdet Ihr wohl an jedem Kap der Inseln,
Die Ihr umfahrt,
An jeglichem Vorgebirg der Gestade,
Die Ihr umrundet,
Junge Gräsern gleiche
Gemahlinnen haben.
Da ich jedoch nun einmal eine Frau bin,
Habe ich außer Euch keinen Mann,
Habe ich außer Euch keinen Gemahl."

(aus "Kurtisanen" S. 42 von Michael Stein, ursprünl. aus dem Kojiki, Lied 6. NKBZ Bd. 1, S.105)


Mehrfachehen wurden für Männer begünstigt, da die Frauen auch nach der Heirat im Elternhaus wohnen blieben. Wenn Männer damals Frauen umwarben, traf man sich heimlich oder er wurde heimlich des Nachts eingelassen und verschwand wieder vor Tagesanbruch. Zwischen ideeller und körperliche Liebe wurde nicht unterschieden, Zuneigung manifestierte sich stets auch sexuell. Wurde es ernster, sodass die Treffen häufiger wurden und der Vater der Tochter in die Beziehung einwilligte, galt man als Eheleute. Der Mann war nun verantwortlich für den Unterhalt der Frau; er verfügte allein über Einkünfte. Der Mann hatte die ökonomische Macht, die Frau dagegen hatte die Ehe zum Beruf. Verfehlungen führten zum Verstoß der Frau und somit zur Beraubung ihrer Existenzgrundlage.

Jungen Mädchen wurden sexuelle Erfahrungen nicht angekreidet, Jungfräulichkeit war keine Tugend und es war eher das Gegenteil der Fall: Für wen sich kein Mann interessierte, der galt als mit Makel oder Fluch behaftet und als ungeeignete Ehefrau.
Auf dem Land gab es Utagaki, Liederwettstreite zwischen Mädchen und Jungen. Bei Tanz, Gesang und Reiswein endete der Abend in Paarbildung, wo schließlich miteinander die Nacht verbracht wurde.
Dank solcher Bräuche und Lebensweisen ist wissenschaftlich jedoch nachgewiesen, dass die Kurtisanen und ihr Lebensweise nicht als makelhaft beschrieben werden.


Chinas Einfluss auf Japans Kurtisanentum

Die Nara-Zeit (710-794) gilt als eine der weltoffensten Epochen der japanischen Geschichte;  es gab u.a. regen Austausch mit Korea und China.
Ausländer wurden damals als Lehrmeister und Gäste wahrgenommen. China wurden zu einem Vorbild Japans, dem sie nachzueifern versuchten. China dagegen sah andere Länder als Barbaren an und machte daraus keinen Hehl, was wiederum Japan anstachelte, als ebenbürtig anerkannt zu werden.
Es unterstand unter anderem in Japan das Naiky
ōbō, eine Art Behörde für die musischen Künste bei Hofe. Die ausländischen Gäste sollten den gleichen Komfort wie im Herkunftsland erfahren und geboten bekommen. Im 1. Monat der Jahre 693 & 694 sollen von chinesischen Gesandten am japanischen Kaiserhof Tänze aufgeführt worden sein, die umgehend erlernt und in das Programm des Naikyōbō aufgenommen wurden. Die unterrichteten Mädchen wurden Jogaku genannt und ausgewählte, junge Schönheiten vom Palasthof, z.B. auch Uneme.

Vorerst hatte China lange Zeit nur Einfluss auf Japans Hauptstadt, Verwaltung und den Hofadel, da der "China-Hype" zuerst nur in erlesenen, gebildeten Köpfen bei Hofe wuchs. Erst durch den Buddhismus fanden Ideen aus China auch den Weg zum Volk.



Frauen der Nara-Zeit


Uneme - Frauengeschenke und/oder Loyalitätssicherungen



In der Vorzeit kam es auch immer wieder zu "Frauengeschenken". Um ihr eigenes Leben verschont zu bekommen, gaben Männer ihre eigenen weiblichen Verwandten oder Frauen an den Feind ab. Bald forderte der Kaiserhof in Nara von ihren Clanherren, Töchter oder andere weibliche Verwandte, um sich die Loyalität der Männer zu sichern. Diese Frauen waren dann als Hofdamen entsandt, die Uneme. Sie wurden ausgebildet und persönliche Dienerinnen und Unterhalterinnen des Kaisers. Nach Ende ihres befristeten Aufenthaltes, wurden sie wieder in ihre Heimat entlassen. Diese Sitte entwickelte sich in der Vorzeit ca. und kann auch als Erklärung für das Entstehen des Kurtisanentums stehen.

In den japanischen Chroniken gibt es die Geschichte der Otohime, Schwester der Gemahlin von Kaiser Ingy
ō. Laut Geschichte soll die Kaiserin für den Kaiser auf einem Fest getanzt haben. Es war damals Brauch dass der Tänzer sich demjenigen auf dem Ehrensitz zuwenden und sagen musste: "Ich verehre euch ein Mädchen". Die Kaiserin sagte dies jedoch nicht und der Kaiser fragte, warum sie diese Dankesworte nicht sagte. Also tanzte die Kaiserin erneut und sprach die Worte. Der Kaiser wollte nun wissen, welches Mädchen sie ihm verehrte. Da sie, geschickt in die Falle gelockt nicht anders konnte, nannte sie ihm Otohime, ihre Schwester.
Diese Geschichte zeigt zweierlei: Einmal, dass tänzerische Darbietungen von talentierten Frauen als Unterhaltungskunst schon in frühester Zeit geschätzt wurde, aber auch, dass Frauen aus politischen oder privaten Gründen verschenkt wurden.

718 jedoch kamen neue Gesetze auf. War eine Familie in den  Steuerregistern verzeichnet,  erhielten sie den Status freier Untertanen und durften nicht mehr verschenkt, verkauft oder versklavt werden. Frauen konnten genauso wie Männer nun auch Vieh, Geräte und auch Sklaven erwerben und besitzen. Uneme existierten jedoch nach dem Gesetz weiter: Sie wurden als Hofdamen auf Zeit genutzt, um dem Kaiser Loyalität von Provinz-Adligen zu sichern. Sie wurden in Musik, Tanz und  höfischen Manieren ausgebildet. Irgendwann kehrten sie jedoch wieder in ihre Heimat zurück.



Jogaku - ausgebildete Hofdamen

Naikyōbō hieß wörtlich "einheimisches Jiaofang", denn die Institute in China zur Ausbildung der höfischen Unterhaltungskünstler/innen hieß Jiaofang. Im chinesischen Jiaofang wurden jedoch keine Hofdamen ausgebildet, sondern Palast-Kurtisanen (Gongji); die den obersten Rang chinesischer Kurtisanen inne hatten. Diese Damen wurden nach Herkunft, Schönheit und Manieren ausgewählt und gewissenhaft zur Kurtisanen ausgebildet; die auf offiziellen Empfängen, Feiern und Zeremonien auftraten und musisch unterhielten. Danach mussten sie Würdenträgern auch im Privatgemach intimere Dinge leisten und nicht selten wurden sie auch vom Kaiser an z.B. treue Feldherren verschenkt.
Unter ihnen gab es die Behörden-Kurtisanen (Guanji). Ihre Aufgaben waren ähnlich, sie agierten jedoch in untergeordneten Behörden vor dessen Beamten. In militärischen Behörden hießen sie Militär-Kurtisanen (Yuingji).
Für die Haushalte von kaiserlichen Prinzen und Hofadligen vom 3. Rang aufwärts gab es die Haus-Kurtisanen (Jiaji), die zwar keiner Behörde zu dienen hatten, aber dem Haushalt ihres Herren, wo sie ebenfalls zu unterhalten und intimen Tätigkeiten nachzugehen hatten.
Darunter gab es dann noch die Volks-Kurtisanen (Minji), deren künstlerische Fähigkeiten nur noch wenig gefragt waren und die sich teilweise aus einstigen Behörden- oder Haus-Kurtisanen zusammensetzten. Sie waren nicht frei, sondern eingesperrt im Pingkangli, dem berühmten Bordell der Hauptstadt Chang'an.

Es sind zwar Parallen zwischen den Jogaku des
Naikyōbō und den chinesischen Kurtisanen erkennbar, jedoch waren die Jogaku keine Kurtisanen sondern Hofdamen. Ihre künstlerische Auftritte beschränkten sich auf ausgewählte Anlässe und sie bestritten, im Gegensatz zu den chinesischen Kurtisanen, nicht ihren Lebensunterhalt damit. Das hieß, dass sie somit auch nicht den chinesischen Gesandten, die sie unterhielten mit Musik und Tanz, nicht intim dienten und schon gar nicht verschenkt wurden wie etwa die chinesischen Kurtisanen aller Ränge. Jigoku zählen jedoch nicht zu den Kurtisanen, haben aber bedeutend zum Gedeih des Kurtisanentums beigetragen.

Das Naikyōbō verlor ab dem 9. Jh. stark seine Bedeutung, als die Gesandschaften zwischen China und Japan eingestellt wurden. Jogaku traten noch regelmäßig zu Festen bei Hofe auf, bis auch ihre Firma nur noch "pro Forma" bestand, etwa um das Jahr 1000.



Bilder einer typischen Hofdame der Nara-Zeit:
Bilder: https://thekimonogallery.tumblr.com/post/188028155490/thekimonogallery-court-lady-of-the-nara-period

    
  



Kurtisanen der Nara-Zeit


 Dank der Bräuche und Lebensweisen der damaligen Zeit ist wissenschaftlich jedoch nachgewiesen, dass die Kurtisanen und ihr Lebensweise nicht als makelhaft beschrieben werden. Tatsächlich werden Kurtisanen dieser Zeit selten als Kurtisanen und vielmehr als "ledige Mädchen" bezeichnet (im Manyōshū, der einzigen erhalten Quelle zum Kurtisanentum dieser Zeit). Kurtisanen, die sich auch sexuell ihrem Gönner zuwandten, wurden damals als sich im Einklang mit den Gepflogenheiten ihrer Zeit und Gesellschaft  empfunden.
Wurde im
Manyōshū doch einmal genauer unterschieden, wurden für den Begriff "Kurtisane" stets folgende Zeichen benutzt: 遊行女婦 , wörtlich: "Frauen, die Unterhaltung betreiben". Über die Lesung der Schriftzeichen der damaligen Zeit ist man sich heute nicht genau sicher. Das älteste japanische Lexikon wurde erst 200 Jahre nach dem Manyōshū beendet und führt als Lesung sowohl Asobime, als auch Ukareme auf. Ukareme übersetzt sich da als "Vagabundin" und Asobime als "Unterhalterin". Beide Wörter werden als beliebig austauschbare Synonyme gesehen, mal liegt die Betonung auf dem künstlerischen, mal auf der ungebundenen Seite des Kurtisanen-Daseins. Man nimmt aber an, dass die zwei verschiedenen Begriffe nicht nur einen Beruf, sondern unterschiedliche Kurtisanenarten bezeichnet haben.



Wortherkunft Asobime & Ukareme

In "Asobime" ist der Begriff des "Spielens" enthalten. Im Altertum umfasste dieser Begriff sowohl die Jagd, als auch des Kultes, Musizierens und der Liebe. Abgesehen von der Jagd umschreibt dieser Begriff treffend das Wirken von Kurtisanen.
"Ukareme" dagegen gibt wörtlich keinen Aufschluss über künstlerisches Wirken und bezeichnet lediglich Frauen der damaligen Zeit, die nicht im Steuerregister verzeichnet waren als wohnsitzlos und für die Aufzeichnungen als nicht existent galten.
Sieht man sich aber die Geschichte der Ukareme an, kann "Ukareme" durchaus aber auch als Bezeichnung von Kurtisanen einer bestimmten Volksgruppe angesehen werden.

Asobime

Vom Schicksal der Verschenkung an die chinesischen Gesandten blieben nicht nur die Jogaku verschont, sondern auch die Asobime, die Kurtisanen der Nara-Zeit.
Sie waren Unterhalterinnen, die in ihrem Repertoire u.a. Stegreiflieder und geistreiche Konversation hatten. Sie standen den Herrschaften bei Hof in höfischen Manieren und Bildung in nichts nach, waren talentierte Sängerinnen und Musikantinnen. Man geht davon aus, dass diese Fähigkeiten nicht nur aus der Tanz- und Instrumentaltradition der Miko stammen kann, sondern eben auch der Einfluss der am
Naikyōbō praktizierten Künste. Denn Kurtisanen waren der neusten Mode schon immer aufgeschlossen und ließen sich musischen Neuerungen nicht entgehen.

Jedoch waren Kurtisanen damals nicht in der Hauptstadt oder am Kaiserhof tätig, wo schon ausreichend Jogaku und Hofdamen zur Verfügung standen: Sie fand man stattdessen in Gouverneurspalästen der entlegenen Provinzen, wo Adlige getrennt von ihrer Heimat ihre Langeweile und Einsamkeit mit Festen vergessen wollten. Die dortigen Kurtisanen waren einheimische Künstlerinnen und blieben, soweit überliefert, stets auch in ihren Provinzen.

In diesen ländlichen Gebieten waren jedoch auch die wandernden Schamaninnen tätig. Das 7.&8. Jahrhundert war für diese besonders hart, da der Buddhismus stark in Japan Einzug erhielt und ihnen ihre Existenzgrundlage entzog. Für sie war es also verlockend, ebenfalls als Kurtisanen oder Gefährtinnen reicher Männer mit schönen Künsten zu glänzen.

Uneme dagegen, also Hofdamen auf Zeit, kehrten irgendwann in ihre Provinzen zurück und erlebten einen gewaltigen Unterschied in ihrem Lebensstandard.Um einen Teil des Glanzes ihres früheren Lebens zurückzubekommen, geht man davon aus, dass viele von ihnen auch zu Asobime wurden. Manchmal konnten sie in den Gouverneurspalästen bekannte Gesichter vom Kaiserhof wiedersehen und sich mit ihren Künsten und Manieren Gunst und Gaben erringen.

Ein überliefertes Lied besagt:

"So seicht wie der Brunnen im Berge,
  In dem sich als Abbild sogar
  Der Asaka-Berg widerspiegelt,
  So seicht ist keineswegs, was
  Mein Herz für Euch empfindet!"
Dazu gibt es folgende Geschichte aus einer japanischen Chronik: Der Prinz Katsuragi wurde in die Provinz Michinoku entsandt. Dort wurde er jedoch nachlässig und unaufmerksam behandelt. Dem Prinzen verging die Laune und man sah ihm die Verärgerung an. An einem Bankett, wo er anwesend war, hatte er ebenfalls keine Freude. Eine einstige Uneme jedoch, die anwesend war, bot ihm in der linken Hand einen Sakebecher an, in der rechten eine Schale Wasser. Das Knie des Prinzen liebkosend, sang sie ihm obiges Lied, woraufhin sich sein Zorn gelegt haben soll und er nun mit guter Laune der Feier beiwohnte. Das Wassergefäß in ihrer Hand soll den Bergbrunnen ihres Liedes symbolisiert haben und auch mit dem Berg gab es ein Wortspiel, das der Prinz bemerkt hatte. Mit ihrer höfischen Finesse wirkte sie zwischen den provinziellen Manieren der anderen anwesenden für den Prinzen wohl wie ein Lichtstrahl. Das Beispiel zeigt, dass schon in der Nara-Zeit Feinsinn zum Gewerbe der Kurtisanen gehörte. Aber auch, dass Uneme Mittlerinnen zwischen Hof und Provinz waren und die chinesischen Unterhaltungskünste des Naikyōbō  in das Repertoire der Provinzkurtisanen einbrachten.


Ukareme

Ukarebito, "nicht sesshafte Leute", wurden in Razzien aufgespürt und gewaltvoll zu steuerpflichtigen, sesshaften Untertanen-Dasein gezwungen. Ethnologen gehen davon aus, dass es sich bei diesen assimilierten Volksgruppen um hauptsächlich Einwanderer aus dem Festland handelte, dieüber Korea nach Japan eingewandert waren. Auffällig neben der Tatsache, dass sie nicht sesshaft waren, war, dass sie sich Gaukler- und Zauberkünste verstanden. Ihre Frauen verstanden sich nicht nur auf Schaustellerei, sondern trugen auch als Kurtisanen zum Einkommen ihrer jeweiligen Sippe bei.
In der Heian-Zeit, die auf die Nara-Zeit jedoch folgte, wurde besser dokumentiert und da werden genau diese Frauen als exzellente Künstlerinnen beschrieben. Man kann also annehmen, dass ein Teil der Kurtisanen der Heian-Zeit vom fahrenden Volk und von Einwanderern weit vor der Nara-Epoche stammt.

In dem Sinne kann "Ukareme" auch als Bezeichnung für Kurtisanen dieser Volksgruppe möglich sein, nicht nur als Bezeichnung für sessloses Volk. Jedoch sind von den Ukareme zur Nara-Zeit noch keine großen, musischen oder Tänzerischen Taten zu erwarten, da sie in dieser Epoche als schlichte Gauklerinnen begannen und es erst im 11. Jahrhundert zu künstlerischen Meisterleistungen brachten.


Die ersten namentlichen Kurtisanen


Im M
anyōshū werden lediglich nur 5 junge Frauen ausdrücklich als Kurtisanen bezeichnet. 4 davon sind mit Namen benannt, eine davon, die Kurtisane Koshima, wird in 2 verschiedenen Zusammenhängen erwähnt und gilt als erste, namentlich genannte, japanische Kurtisane.
Weitere, namentlich bekannte Kurtisanen der Zeit:



Im Manyōshū gibt es jedoch auch viele Lieder und Gedichte von Frauen, die nicht ausdrücklich als Kurtisanen bezeichnet wurden. Sie sind oft nur als "Gedicht eines Mädchens" bezeichnet. Manchmal lässt sich jedoch vermuten, dass es Kurtisanen gewesen sein mussten und keine gewöhnliche Mädchen.
Wenn man davon ausgeht, dass Kurtisanen nicht nur in der Provinz
Etchū tätig waren, sondern vielleicht auch in anderen Provinzbehörden, lassen sich auch andere im
Manyōshū erwähnte "Mädchen" wohl dem Kurtisanentum zuordnen. Einige Begebenheiten und Lieder solcher Mädchen aus der Narazeit, die nicht ausdrücklich als Kurtisanen bezeichnet wurden, finden sich in diesem Weblogeintrag:
- Werke von Mädchen der Narazeit



Kriterien der Kurtisanen der Nara-Zeit

Michael Stein fasst in seinem Buch "Kurtisanen" folgende Kriterien als typisch für Kurtisanen der Nara-Zeit zusammen:

- Sie treten hauptsächlich in den Provinzbehörden und dort im Gefolge der dort tätigen Beamten aus der Hauptstadt auf
- Sie nehmen an geselligen Abenden, Festen oder Ausflügen teil. Häufig als einzige Frauen unter vielen männlichen Beamten
- Sie leisten einen künstlerischen Beitrag in Form von Unterhaltung der Gäste, z.B. auch am Austausch von Liedern
- Ihre Lieder, meist direkt an ihre Partner gerichtet, beklagen dessen Abschied oder deuten ihren Wunsch an, ihn wiederzusehen

Die Kurtisanen bescherten den Adeligen also an langweiligen Tagen in den Provinzen Ablenkung in vielfältiger Weise. Sie ersetzten vorrübergehend quasi auch die Hofdamen, die es bei Hofe gab. Ließ sich einer der mächtigen Männer auf eine der Kurtisanen ein, wurde sie wie eine Ehefrau auf Zeit liebevoll verwöhnt. Doch es war eben nur auf Zeit: Irgendwann muss er zurück zum Hofe kehren und überlässt sie ihrem Schicksal. So herzlich die gegenseitige Zuneignung auch sein mochte, stand von Anfang an fest, dass er irgendwann zurückgehen würde.

Die meisten Kurtisanen waren demzufolge Asobime, sesshafte Kurtisanen, und keine Ukareme, wandernde Kurtisanen.






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zuletzt bearbeitet: 06.10.19

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