Sonntag, 11. August 2019

Kurtisanen - Vorurteile, Geschichte und Sexualisierung einer Künstlerin

Kurtisane die Koto spielt,
Bild vom Royal Ontario Museum

picture: https://hiveminer.com/Tags/japanese%2Cyoshiwara
Generelle Vorurteile Japans im Westen

Bei uns in den westlichen Ländern sind leider öfters Vorurteile oder Klischees über östliche Länder und auch Japan angekommen. So wird nicht selten Japan gleichgesetzt mit übertriebener Höflichkeit, ständig fotografierenden Menschen, Sushi, Kamikaze und ähnlichen Worten (ein paar mehr gibt es ja noch, die ich jetzt nicht alle aufzählen werde), die zu uns "hinübergeschwappt" sind und für jemanden, der sich nicht mit Japan befasst, sehr skurill sein mögen. Befasst man sich genauer mit Japan, seinen Traditionen, Bräuchen, Sitten und der Sprache, dann ist man selbst schon oft genervt, wie viel falsches, oberflächliches Wissen hierzulande kursiert (ich spreche aus Erfahrung). Für Japaner sind solche Touristen ohne ernsthaftes Interesse an der Kultur des Landes in den letzten Jahren gar regelrecht zu einer Plage geworden.

Ein weiteres Vorurteil ist eben auch, dass Geisha gleich Prostituierten seien. An anderer Stelle habe ich schon den >Unterschied zwischen Geisha und Kurtisanen geklärt, jetzt möchte ich noch einmal näher auf die Kurtisanen eingehen.
 


Definitionsversuch Kurtisane

Kurtisanen werden bei uns mit Prostituierten gleichgesetzt. Das ist aber schlichtweg falsch. Eine Frau, die sich auch für Geld auf Männer einließ, gleichzeitig aber auch hohe Künste, auf die es eben auch sehr darauf ankam (Tanz, Musik, Gesang, Gedichte, Teezeremonie, Konversation, ...) , war in Japan nicht das Gleiche wie eine einfache Straßendirne, die lediglich ihren Körper verkaufte und keine weiteren Qualitäten aufzuweisen wusste. Darin wird in Japan bis heute unterschieden und es gab für jede einzelne auch eigene Namen: sowohl für die untersten Straßendirnen, als auch für einfache Kurtisanen, bis hin zu den ganz hohen Kurtisanen erster Klasse (Taiyuu/Oiran), welche ihre Fähigkeiten perfekt beherrschten und eine gewisse Ausstrahlung hatten, sowie sich aussuchen durften, ob sie überhaupt sexuell mit einem Mann verkehren wollten.
Autor Michael Stein, der das sehr umfangreiche Buch "Japans Kurtisanen - Eine Kulturgeschichte der japanischen Meisterinnen der Unterhaltungskunst und Erotik aus zwölf Jahrhunderten" schrieb, bezieht sich auch gleich zu Beginn und schon im Einband immer wieder darauf, Kurtisanen nicht mit Dirnen gleichzusetzen oder auf einfache Prostituierte zu reduzieren.
Doch warum kommt dieses Bild immer wieder bei uns durch? Ein  Erklärversuch liegt schon in der Definition eines deutschen Lexikons des aus dem eigentlich Italienischen stammenden Wortes "Kurtisane":

"Geliebte eines Fürsten, bedeutenden Künstlers oder Staatsmannes, die meist auch durch eigene soziale oder künstlerische Aktivitäten eine bedeutende Stellung in der Gesellschaft ihrer Zeit einnahm." (aus: oben erwähntem Buch, S. 13, Einführung)
 Die Vergangenheitsvariante zeigt uns, dass es sie in Europa nicht mehr gibt, sie ein Phänomen der Vergangenheit ist. In Japan aber ist das ganz anders. Dort gibt es Kurtisanen, die dieser Definition entsprechen oder halbwegs nahekommen, in jedem historisch ergründbarem Zeitalter bis in die heutige Zeit. Jedoch gibt es sie im Wandel der Zeit in unterschiedlichen Formen. Michael Stein ist der Meinung, um den Begriff "Kurtisane" durchgehend auf Japan anwenden zu können, muss die Definition erweitert und gar anders gewichtet werden.Denn das wichtigste Merkmal einer japanischen Kurtisane ist und war immer ihr Künstlertum, spezifisch die Unterhaltungskünste. Und das ergibt durchaus Sinn: In Jahrhunderten, in denen es weder Film, Fernsehen, Konzerte, Kino oder dergleichen gab, waren sie es, die die Menschen unterhielten und leisteten, was heute Unterhaltungsmedien tun.

Natürlich stiegen viele japanische Kurtisanen auch auf zu einflussreichen Stellungen als Geliebte mächtiger Männer; Fürsten, Staatsmänner oder ähnlichem. Viele hatten den Traum oder das Ziel, von einem vermögenden Herrn unterhalten und finanziert zu werden, aber nur die wenigsten Kurtisanen erreichten es wirklich.
In Japan aber war das Kurtisanentum als eine Art Berufsstand (zeitweilig sogar in regelrechten Gilden verbunden) anerkannt. Daher ist es erforderlich, für das Verständnis der japanischen Kurtisane, sie nicht über ihre Stellung als Geliebte zu definieren, sondern über ihre Eigenschaften als Unterhaltungskünstlerin, mit der sie eine Rolle in der japanischen Gesellschaft erfüllte und erfüllt.
Auch, wenn das Künstlertum betont werden sollte, sollte erwähnt werden, dass es auch eine Tatsache ist, dass sie sich in der Regel -außer wie gesagt den Ranghöchsten, die es sich aussuchen konnten- sexuellen Forderungen fügten. Dennoch sollte man sie ie oben erwähnt nicht mit Dirnen gleichsetzen, denn auch die gab es schon immer in Japan und für diese gibt es im Japanischen andere Worte. 
Und natürlich kann man die eigenartige Kombination von Künstlertum und Gunstgewerbe, die das Wesen der Kurtisanen somit definiert, in bestimmten Fällen oder Epochen als eine Art der Prostitution bezeichnen, die Grenzen waren oft fließend. Das würde den Kurtisanen an sich aber nicht gerecht werden: Man sollte dafür auch die Gründe berücksichtigen, die zu dieser erotischen Kehrseite ihrer Arbeit führten und das ganze Dilemma aufzeigen: Denn es war ein widersprüchliches Geflecht aus eigenem, künstlerischen Anspruch der Kurtisanen; religiösen Vorstellungen; ökonomischer Abhängigkeit und männlichem Wunschdenken.


Überleben in einer Männerwelt


Kurtisanen haben durchaus in all den Jahrhunderten nicht nur männliche Kunden unterhalten. Ihre Fähigkeiten in Tanz, Musizieren, Gesang, Erzählung oder  Stehgreifdichtung wurde auch von Frauen geschätzt. Japans Gesellschafft jedoch ist seit historischer Zeit so beschaffen, dass fast nur die Männer sowohl politische, als auch okönomische Macht besaßen und besitzen. Deshalb mussten Kurtisanen, wenn sie vor zahlkräftigem Publikum auftreten wollten, doch meist vor Männern auftreten, um ihren Unterhalt zu verdienen. Zwangsweise begaben sie sich somit also in eine Abhängigkeit von den Männern. Und diese haben es leider häufig als ihr gutes Recht angesehen, über die mit ihrem Geld bezahlten Künstlerinnen auch sexuell verfügen zu wollen. Jedoch verhielt es sich so auch mit anderen Frauen, von Hofdamen bis zu Dienstmägden, die sich mit denen sexuell einließen, die ihren Lohn zahlten. Wenn sich Frauen also, deren eigentlicher Lebensunterhalt und ihre Profession eigentlich die Unterhaltungskunst waren, sich nun männlicher Kundschaft auch sexuell hingaben und dafür entlohnen ließen, so sollte man dies eher als Hinweis auf eine Notlage interpretieren, in der sich diese Frauen befanden und sie nicht gleich als Prostituierte abtun. Die Vorstellung, dass sich gefeierte Künstlerinnen ohne Not zu erotischen Hingaben für beliebige Männer herabließen, widerspräche sich komplett in seiner Logik. Es war immer eine Notlage für sie, eine Demütigung, eine tiefe Verletzung ihres Stolzes, ihrer Würde und ihres Könnens. Sie wurden zu Ware gemacht und ihre Gefühle verraten. Von daher kann man wirklich nur davon sprechen, dass sie sich in einer großen Notlage befanden, wenn von Kurtisanen als erstes von einer Geliebten oder Prostituierten gesprochen wird und nur im Nebensatz von ihren eigentlichen, großen Künsten. Diese Notlage war nicht nur ökonomischer Natur, sie war auch gesellschaftlich bedingt. Das soziale Gefüge Japans bat und bietet seit historischen Zeiten keinen oder nur wenig Raum für Frauen außerhalb ihres Lebens als Ehefrau oder Mutter- abgesehen von Schreinpriesterinnen oder buddhistischen Nonnen. Für männliche Künstler war ein selbstbestimmtes Leben auf gesicherter, ökonomischer Basis eine Selbstverständlichkeit, das galt jedoch nicht für ihr weibliches Pendant.


Kleiner geschichtlicher Rückblick der Frauen- und Kurtisanenrolle:

Um das Jahr 1000: Fleißigen Hofdamen wurden als Betätigungsfeld künstlerische Aktivitäten damals auch Frauen gestatet. Durch diesen Künstlerischen Freiraum entstanden Meisterwerke der Literatur, wie etwa die Geschichte des Prinzen Genji von der Hofdame >Murasaki Shikibu. Männer durften sich damals schon sexuell 'ausleben', behandelten ihre Frauen oder Geliebten mit Verantwortungsgefühl und als fühlende Mitmenschen. Hofdamen begaben sich in eine fügsame Unterordnung der höflichen Etikette. Zum Beispiel durften sie ihr Gesicht nie direkt einem anderen Mann zeigen, nur eigenen, nahestehenden männlichen Verwandten. Dafür wurden Wandschirme und dergleichen genutzt. 

Für Kurtisanen dagegen ist ein männliches Publikum unausweichlich. Für ihre Tätigkeit war es notwendig, sich aus sozialer und familiärer Bevormundung zu lösen. Dadurch wurde jedoch der Erfolg für sie auch zur Existenzfrage. Wer nicht gut genug war für das Publikum, konnte seinen Unterhalt nicht bestreiten. Resultat dessen war, dass die Kurtisanen mit Eigenwerbung ihre Vorzüge unterstrichen: Durch Schminke und Kleidung machten sie sich jung, verführerisch, attraktiv; der Gesang und Tanz wurde kokett und Verführerisch. Sie spielten ihren Kunden die perfekte Fraue vor; was sie dabei aber wollten war, als weiblich, elegant und genauso gut und gefeiert wir ihre männlichen Kollegen zu gelten. Ihre Kunst sollte geliebt und verehrt werden und nicht sie in einem Schlafgemach. Der Wunsch, schön oder auch begehrenswert zu sein, muss nicht immer mit sexueller Begehrlichkeit zu tun haben. Männer aber projizieren auf schöne Frauen jedoch auch gern einmal eigene Wünsche und daraus resultiert laut Michael Stein das Missverständnis, die Betreffende signalisiere sexuelle Verfügbarkeit. Aus historischen Quellen geht jedoch hervor, dass Kurtisanen stolzer und glücklicher waren, wenn sie als Künstlerinnen geschätzt und lediglich für ihre künstlerische Leistungen entlohnt wurden.

Nara-Zeit: Nach anfänglicher Toleranz wurde die Gesellschaft immer mehr unduldsamer gegenüber selbstständiger Frauen. Hofleute lebten in fernen Provinzen entsandt mit Kurtisanen zusammen, als seien es ihre Ehefrauen auf Zeit.
Das Männer mit Kurtisanen für die Dauer ihrer Abwesenheit von Heimat und Familie zusammenlebten, bewegt sich in dieser Epoche noch am ehesten im Einklang mit der gesellschaftlichen Konvention. Kurtisanen wurden auch nicht als unstandgemäß verachtet noch für erotische Dienste bezahlt. Sie lebten stattdessen mit ihren Gönnern zusammen, wurden als Unterhalterinen und Gefährtinnen geschätzt und verwöhnt. Wenn der Mann in die Hauptstadt zurückberufen wurde, kehrten auch die Kurtisanen zurück in ihre Heimat. Es gibt keine historischen Belege, ob sie dort für ihre Vergangenheit getadelt wurden oder nicht.

Heian-Zeit:
ist gekennzeichnet durch einen wahren Zunft-Stolz der Kurtisanen. Ihres Sangeskunst wurde hochgeschätzt. Bekannte Sängerinnen wurden zu Idolen der Zeit. Dadurch wurden aber auch zahllose Mädchen in das Gewerbe gelockt, welches scheinbar Ruhm und Reichtum verhieß. Konkurrenz aber und sexuelle Ausschweifungen der verwöhnten Hofleute ließen die weniger begabten Kurtisanen auch spüren, dass sie nach ihren erotischen Fähigkeiten eingeteilt und geschätzt wurden. Die Teilhabe am Reichtum und Prunk der Hofwelt wurde also mit sexuellen Zugeständnissen erkauft. Etliche Kurtisanen wurden jedoch auch in einen Zwiespalt gestürzt: Es gab damals sich widersprechende Auffassungen. Die chinesische Medizin sagte aus, dass sexuelle Praktiken als gesundheitsfördernd und lebensverlängernd zu sehen sind, währenddessen die buddhistische Lehre das Gewerbe der Kurtisane als sündhaft anprangerte.

Kamakura-Zeit: Brachte einen herben Umschwung mit sich, auf Hofadel folgte Kriegeradel.

Das Verhältnis von Liebhaber und Kurtisane kippte von einer partnerschaftlichen Beziehung in eine vertikal strukturierte, in der der Mann das Sagen hatte. Für Kurtisanen war das nicht völlig neu, da auch in frühreren Epochen die Männer sie nur unter sich geduldet hatten, jedoch in Hinblick auf den Standesunterschied. Icht einer der großen Künstlerinnen war mehr als ein zeitlich befristetes Teilhaben am höfischen Glanz ermöglicht gewesen. Jetzt jedoch war es nicht mehr das Standesdenken, dass den Kurtisanen die Gleichstellung verwehrte, sondern der gezielte Versuch, Kurtisanen zu Dirnen zu degradieren. Für die Kriegerklasse war das Singen und Musizieren nur das Sahnehäubchen sozusagen auf anderen, körperlicheren Dienstleistungen. Wer sich auf diese neuen Spielregeln nicht einlassen wollte, taugte zu dieser Zeit nicht zur Kurtisane. Mehrfach entsagten ganze Scharen an Kurtisanen auf der Höhe ihrer Kunst der Welt- etwa Frauen und Mädchen, die in jugendlicher Einfalt geglaubt hatten, ihr Herz in Liebe an einen Schwertträger verschenken zu können, sich aber stolz weigerten, als man könnte es erotisches Spielzeug nennen, für Krieger herzuhalten.

Muromachi-Zeit:
Die Kurtisanen stellten sich in dieser Zeit mehr auf die "Wollust" ein als wie auf künstlerische Fähigkeiten. Und so verlor das Gewerbe der Unterhaltungskunst auch rapide an Attraktivität auf junge Frauen. Es war üblich zu dieser Zeit, dass wer Geld und Schwert hatte, sich Menschen beliebig gefügig machen konnte. Samurai kamen auf mit ihren strengen Ehrenkodexen. Aber selbst der rangniederste Mann bildete sich dann noch ein, über den Frauen zu stehen. Kurtisanen sanken auf eine Stufe mit Bettlern, Behinderten und Aussätzigen. Es gab nur noch wenige Meisterinnen die es schafften, nicht zu fahrendem Volk oder Gesindel gezählt zu werden, aber auch sie hatten keine sexuelle Selbstbestimmung mehr. Die wenigsten Kurtisanen dieser Epoche waren freiweillig zu ihrem Gewerbe gekommen; mehrheitlich waren sie als Kinder und Mädchen entführt, verkauft, von entlassenen Samurai festgehalten und zu ihrem Dienst gezwungen worden. Nach der Kamakura-Zeit, wo ihr schon die künstlerische Identität geraubt worden war, brach diese Epoche nun ihren Stolz.

Edozeit: Hier wurde den Kurtisanen, denen in der Kamakura-Zeit die künstlerische Identität und in der Muramachi-Zeit der Stolz geraubt worden war, nun auch noch ihre Freizügigkeit geraubt. Die Machthaber stützten sich auf konfuzianische Lehren und Ideale des Kriegertums und schufen so eine absolute männliche Überlegenheit. Nun konnte sich auch das städtische Bürgertum, welches durch Handel und inneren Frieden im Land zu Geld gekommen war, Frauen für Geld erkaufen. Kurtisanen gerieten in die Hände von profitgierigen Ausbeutern und wurden in geschlossene Amüsiervierteln eingesperrt. Dort wurden sie zusammen mit gewöhnlichen Dirnen angeboten. Die höchstklassigen Künstlerinnen dieser Zeit bewegten sich eventuell noch in der Illusion, mehr als ein kostbares Spielzeug wahlhabender Käufer zu sein, in Wirklichkeit ist dieses "Goldene Zeitalter der Freudenviertel", wie es gewöhnlich genannt wird, der traurige Tiefpunkt im Kurtisanentum. Die einst so freien und stolzen Künstlerinnen waren elementarer Menschenrechte beraubt und als regelrechte Sklavinnen eingesperrt.

Meiji-Zeit:
Zu Beginn stellten die Kurtisanen ihr Künstlertum noch einmal überzeugend
Einesperrte Frauen im Freudenviertel Yoshiwara um 1910/1920

picture: https://www.oldtokyo.com/wp-content/uploads
/2014/08/yoshiwara-prostitutes-grate-3002.jpg
unter Beweis, als Japan sich dem Westen und überhaupt der westlichen Welt wieder öffnete. Kurtisanen mussten aus ihrer Gefangenschaft entlassen werden. Alle verlorenen, künstlerischen Eigenschaften gewannen sie innerhalb kürzester Zeit wieder zurück. Die künstlerische Identität, den Stolz, ihre Freiheit, all das bekamen sie wieder zurück. Jedoch war kein Auferstehen eines Phönix aus der Asche, vielmehr ein letztes Aufflackern der alten Herrlichkeit, ehe sie endgültig erloschen.Die neue Zeit brachte neue Mode und neue Medien aus dem Westen mit sich, die sich die Kurtisanen erstmalig nicht direkt aneigneten wie die Jahrhunderte zuvor. Die westliche Mode erhielt immer mehr Einzug in Japan und Industrie, Militarismus sowie Kommunikation veränderten zunehmend das Land. Die Kurtisanen galten nun auf einmal als altmodisch mit ihren prunkvollen Gewändern und alten Liedern und Tänzen. Sie hatten sich auf ihre Traditionen berufen und bewusst darauf verzichtet, Gesellschaftstänze oder auch Klavierspiel zu erlernen. Das Berufen auf Traditionen und festhalten an Gewohntem brachte sie schließlich zu Fall.

Heute gehören die Kurtisanen der Folklore Japans an und die letzten unter ihnen, Hüterinnen ihrer Traditionen, sind Unterhalterinnen all derer, die in unverfälschter, traditioneller japanischer Atmosphäre Erholung von der Hektik des Alltags suchen oder vergangenen Zeiten nachhängen wollen.


Die männliche Angst vor der Weiblichkeit

Laut Michael Stein führt die in einigen Epochen sehr unmenschliche Umgangsart mit den Kurtisanen sowie die Schmach und der Hass auf sie bis in die Vorzeit zurück. Weiblichkeit erfüllte den Mann noch mit Ehrfurcht und Furcht; Schamaninen übten die Herrschaft aus und Dinge wie Sexualität, Fruchtbarkeit und Schwangerschaft galten als heilig. Aus dieser 'universalen männlichen Urangst' vor der sexuellen Macht der Weiblichkeit entstanden vermutlich auch die Mythose um männertötende Göttinnen oder Sagengestalten, deren Schönheit und Gesang Tod und Verderben mit sich gebracht haben in Legenden. Bei uns sind beispielsweise die Sirenen der Odyssee bekannt, während in asiatischen Ländern die legendäre, chinesische Kurtisane Yang Guifei ihrem Geliebten und ihrem Reich Tod und Untergang gebracht haben soll. Auch in Japan klingt immer wieder die Vorstellung von Tod und Verderben bringenden Kräften an, die hinter den Verführungskünsten der Kurtisanen gelauert haben sollen. Am deutlichsten macht das wohl der Ausdruck keisei - "bringt Festungen ins Wanken". Mit ihm wurden zuerst Hofdamen, später jedoch nur noch Kurtisanen bedacht. Niemand kam dabei je auf die Idee, dass die Verderben bringende Kräfte in Gestalt von Machtstreben und Begehrlichkeit beim Manne selbst liegen könnten.

Michael Stein unterstreicht, dass trotz all der Verachtung, die den Kurtisanen seit der Kamakura-Zeit entgegenschlug, diese niemals aufbegehrende Rebellinnen waren. Sie passten sich vielmehr der Realität an, in der sie stückchenweise ins Sklaventum getrieben worden. Bewundernswert war und ist jedoch, dass sie sich durch all die Zeiten ihr Künstlertum und ihre Fertigkeiten bewahrt haben, auch wenn es ihnen unglaublich schwer gemacht wurde. Aus der Not machten sie Tugend, indem sie die erotischen Dienste die von ihnen verlangt wurden, als Kunst adelten. Keinesfalls jedoch waren sie wolllüstige Verführerinnen, wie es in Dokumenten, meist von Männern verfasst, oft dargestellt wird. Denn eigentlich waren es die Männer in diesen schwierigen Jahrhunderten, die ihre Triebe nicht beherrschen konnten und die Herrschaft über Frauen für sich reklamierten. Sie wurden höchstens leise getadelt. Käufer, die den Frauen ihre Unmoral aufzwangen, blieben für die Öffentlichkeit achtbare Ehrenmänner, denen ihre Fehltritte, für die Frauen gequält und hingerichtet worden, als menschliche Schwächen nachgesehen wurde.

"Man muss die Quellen, die Kurtisanen als verderbte, gefallene Mädchen schmähen, auch gegen den Strich lesen können, männliches Wunschdenken und selbstgerechtes Moralisieren herausfiltern und den wenigen Aussagen, die von Kurtisanen selbst überliefert sind, aufmerksam zuhören. Was sie zu sagen haben, ist ohne Anklage, wirkt aber durch seine verhaltene Melancholie und stille Sensibilität sehr tiefgründig" (Michael Stein, "Japans Kurtisanen", S. 21)


Was uns ein Kurtisanenlied aus dem 12. Jahrhundert alles aussagt

In seinem Buch hat Herr Stein ein Lied einer Kurtisane aus dem 12. Jahrhundert zitiert,
was unglaublich viel über Kurtisanen selbst aussagt und welches ich an dieser Stelle auch anbringen möchte:

"Bin ich denn zum Tändeln geboren?
Bin ich zu eitlem Scherzen geboren?
Hör ich das Lachen spielender Kinder,
Durchschauert es, ach, mich doch immer."

Laut Michael Stein lässt das Lied noch heute die Gefühle einer lebenden Frau erahnen, frisch wie an dem Tag, an dem sie dieses Lied erstmalig sang. Neben der Sehnsucht nach kindlicher Unschuld klingt auch die Resignation über das Dasein als Kurtisane an. Aber nicht nur dieser Kurtisane, sondern der Kurtisanen generell. Sie waren Dienerinnen männlicher Eitelkeit, die sich wahrlich jedes Lied, jeden Tanzschritt mit Blut, Schweiß und Tränen erkaufen mussten. Es zeigt jene Resignation, welche die Geschicke und auch Geschichte der unterdrückten, entrechteten und ihrer Würde beraubten Frauen begleitete; deren angebliches Vergehen einzig und allein darin bestand, dass sie Künste wie Gesang, Musik, Tanz oder Poesie liebten und zu ihrem Lebensunterhalt machen wollten..


Künstlerinnen und Wahrerinnen der Traditionen

Kurtisanen waren wahre Künstlerinnen, viele von ihnen waren die besten, die Japan jemals gesehen hatte und es ist bedauernswert, dass es keine Möglichkeit gab, ihr Können aufzuzeichnen für die Nachwelt. Aber es gibt dafür unzählige Dokumente, die zumindest versuchen zu beschreiben, wie großartig das künstlerische Können dieser Damen war. Ganze Generationen, ganze Epochen gar waren demnach immer wieder von ihren Kurtisanen und ihrem Können hingerissen, große Regenten vergaßen gar ihren Stand, Mönche ihr Gelübde oder Krieger ihre Ehre. Das lässt erahnen, welche Faszination von den Kurtisanen und ihrer Kunst ausgegangen sein muss.

Kurtisanen schufen an sich keine neue Kunstgattungen, bemächtigten sich jedoch aller Künste, die sie für nützlich erahndeten. Dadurch wurden sie unentbehrlich zur Wahrerin künstlerischer Traditionen. So wurden etwa
Imayō-Gesang, Shirabyōshi-Tanz und Kabuki-Theater, kaum das sie entstanden waren, mit Kurtisanen assoziiert. Sie machten viele dieser Künste populär, gestalteten sie aus und erhielten sie, was mit Nachdruck ihre Bedeutung für die japanische Kulturgeschichte unterstreicht. Natürlich waren ihre Motive eigennützig, sich zur Pflegerin und Hüterin der musischen Traditionen zu machen; ihre Kusnt war immerhin ihr Handwerk. Jedoch tradierten sie fast das gesamte Volksliedgut Japans, inspirierten oder förderten viele klassische Kunstgattungen und trugen entscheidend zum Erhalt der traditionellen Instrumentalmusik und Tanzkunst bei. Es wird gesagt, das selbst die japanische Nationalhymne sehr wahrscheinlich auf das Repertoire von Kurtisanen zurückgeht.


Michael Stein ist der Meinung, dass man die hohe Kunst der Kurtisanen und den hohen Rang ihres Künstlertums eigentlich nur unterschätzen kann, weil außer indirekten Zeugnissen und der bis heute bewunderbaren Kunst der Geisha nichts davon erhalten geblieben ist.



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zuletzt bearbeitet: 11.08.19

Montag, 5. August 2019

"weißer Rhythmus" - die Shirabyōshi-Tänzerinnen

picture: http://listverse-wpengine.netdna-ssl.com/
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Am berühmtesten unter den Tänzerinnen der Heian-Zeit waren die Shirabyōshi-Tänzerinnen.

Sie gelten als eine der Ahnen bzw. Vorläufer der Geisha
(Es gibt mehrere Vorläufer der Geisha, siehe Zeittafel).










Namensbedeutung

Shir
abyōshi (白拍子) bedeutet 'weißer Rhythmus' .
Der Name hatte mehrere Hintergründe: zum einen kam er von ihrer Kleidung, aber auch von ihrem Make-Up und der Tatsache,
das ihre Tänze rhythmisch und langsam waren.

Im Englischen werden sie manchmal als Kurtisanen bezeichnet, dieser Begriff ist jedoch mit einer hochrangigen Prostituerten gleichgesetzt, wodurch diese Bezeichnung falsch ist. Manche
Shirabyōshi hatten Affären mit ihren Gönnern oder gebaren Adeligen sogar Kinder, aber das war nicht der ursprüngliche Zweck. In erster Linie waren sie Tänzerinnen und Unterhalterinnen.



Entstehung

Shirabyōshi-Tänzerinnen kamen zur späten Heian-Zeit auf.Diese Zeit war von einem kulturellen Wandel geprägt und damit sie überleben konnten; wandten sich einige Frauen der Unterhaltung und dem Tanz zu. Bald nach ihrer Gründung schon gab es einen regelrechten Shirabyōshi-Boom in Japan und viele Frauen wollten angelockt von diesem Erfolg ebenfalls solche Tänzerinnen werden.


Kleidung

Zur Reizerhöhung trugen sie vom
Shintōismus inspirierte Männerkleidung (Shintō ist die Japaneigene Religion). Genauer bedeutet das: Ein Tate-Eboshi Hut (sonst von Samurai getragen), Ein Tachi (Samuraischwert), einen roten Hakama (wie sonst auch von Männern getragen), Einen weißen Suikan und roten Suikan (männliche Shintō- Kleidung) und einen Kawahori Handfächer (sonst auch von Männern getragen).

Geläufigste Kleidung:



Aufbau eines Shiraby
ōshi-Kostüms

picture: http://www.iz2.or.jp/english/fukusyoku/wayou/26.htm










































Eine weitere Shirabyōshi-Form, ohne Hut mit hochgesteckter Frisur:





Make-Up


Wie oben erwähnt, war ihr Make-Up weiß: Sie trugen das komplette Gesicht und den Nacken weiß geschminkt, wie es später mit den Geishas assoziiert wurde. Ihre Augenbrauen waren aufgemalt und das etwas höher auf der Stirn. Die Frisur war recht simpel; die Haare wurden lang (bis zum Boden) getragen und zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, der mit einem Band namens Takenaga zusammen gehalten wurde.



Können

Zu rhythmischer Musik boten sie (oft hocherotische) Tänze und Lieder an. Sie waren alle gut gebildet, konnten lesen und schreiben; waren nicht nur Tänzerinnen und Sängerinnen, sondern auch talentierte Poetinnen. Sie waren gefeiert und bekannt wie heutzutage Superstars. Sie traten vor und für den Adel auf, sowie bei großen Festen.
Ihre Lieder basierten meist auf buddhistischen Gebeten. Die Lieder waren langsam, rhythmisch und hatten ihren Fokus auf den Worten. Die S
hirabyōshi sangen auch Imayo-Lieder (= Gedichte, in denen Bilder der Natur Zustände im Leben umschreiben). Erkennungszeichen ihrer Musik waren Stimme, Trommel und Flöte.


Erbe

Shirabyōshi-Darstellerinnen Im Yasaka-Schrein
Kyoto, während des Gion Matsuri 2015


picture: https://mykyotomachiya.com/shirabyoshi-dancer/
Es wird ihnen nachgesagt, dass die Shirabyōshi-Kultur das Nō-Theater stark beeinflusste, indem sie Kusemai hervorbrachte, eine unorthodoxe Form des Tanzens, die es im Nō gibt.

Außerdem gelten sie als eine der Vorreiter der Geisha-Kultur, sowohl in Kleidung, als auch Unterhaltung durch Tanz, Instrumentenspiel und Gesang.

Heutzutage kann man die Tradition der
Shirabyōshi-Kultur noch auf Festivitäten erleben. Zum Beispiel treten Darstellerinnen als Shirabyōshi zum Gion Matsuri in Kyoto auf und zeigen die traditionellen Tänze.


Berühmte
Shirabyōshi-Tänzerinnen

Die
Shirabyōshi-Tänzerinnen hatten ihr Zeitalter bis in die frühe Kamakura-Zeit (1185 - 1333) hinein.
Als bekannte
Shirabyōshi-Tänzerin der damaligen Zeit gelten:

  • Kamagiku (亀菊) (Favoritin des Kaisers Gotoba (1189 - 1239))
  • Shizuka Gozen
  •  Giō & Hotoke




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zuletzt bearbeitet: 05.08.19


Murasaki Shikibu - die Autorin des wahrscheinlich ersten Romans der östlichen Welt


Portrait von Murasaki Shikubu;
von Tosa Mitsuoki (1617-1691)


picture: https://s3-ap-southeast-2.amazonaws.com/ccc-uploads/
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Murasaki Shikibu (紫 式部) war eine Hofdame am Kaiserhof der Heian-Zeit und Dichterin sowie Schriftstellerin. Sie soll von ca. 973 oder 978 bis ca. 1014 oder 1031 gelebt haben. Berühmt wurde sie als Autorin des "Genji Monogatari" (Geschichten des Prinzen Genji), der als erster, bedeutender Roman der östlichen Welt und Meisterwerk der klassischen, japanischen und auch Weltliteratur gilt.

Mit anderen, weiblichen Autorinnen ihrer Zeit trug sie dazu bei, dass sich Japanisch zu einer Schriftsprache entwickelte.



Name

Murasaki Shikibus Geburtsname ist unbekannt. Es gibt Vermutungen, dass sie Fujiwara no Kaoruko (藤原 香子) gewesen sein könnte, die in einem Gerichtstagebuch von 1007 als kaiserliche Dame erwähnt wurde.
Den Namen, den sie erhielt, also Murasaki Shikibu, heißt wörtlich "Violett der Zeremonie",

und zu dessen Herkunft gibt es mehrere Theorien. Vieles aus ihrem Leben ist unbekannt, aber sicher ist, dass sie aus einem eher weniger bedeutenden, aber literarisch tätigen Nebenzweig der Fujiwara-Familie stammte (damals eine mächtige Familie) und zu Beginn ihres Leben am Hofe Tō no Shikibu (藤の式部) genannt wurde. Shikibu (式部) kommt vermutlich daher, dass ihr Vater und später Bruder Ämter im Ministerium für Riten und Zeremonien, dem Shikibu-shō , innehatten. Das Kanji, das Tō oder Fuji gelesen werden kann, weißt dagegen doppelt auf ihre Abstammung aus der Fujiwara-Familie (藤原) hin: Fuji von Fujiwara, gleichzeitig heißt es übersetzt aber auch "Glyzinie", welche das Familienwappen (Mon) der Fujiwara ist.
Zum Namen Murasaki dagegen gibt es mehrere Theorien: In einer heißt es, der Name bezieht sich auf ein bekanntes Gedicht aus dem Kokinsh
ū (Sammlung japanischer Poesie), auf dieses bezog sich der Kaiser Ichijō (980-1011), als er sie am Hof einführte. Eine andere Theorie besagt, der Name könnte sich aber auch von der Blütenfarbe der Glyzenie herleiten. Wegen ihrer bläulich-lila Blüten wird sie auch Blauregen genannt und Murasaki bedeutet wörtlich "violett" oder "lila". Wieder eine andere Theorie sagt, der Name stammt aus ihrem Werk Genji Monogatari, wo die weibliche Hauptfigur Murasaki (no) Ue (紫上) heißt.

Ihr Leben

Kindheit

Über ihr Leben existieren wenig präzise Quellen, weshalb über ihre Biografie oftmals nur
Murasaki Shikibu schreibend dargestellt

picture: https://i.pinimg.com/originals/2c/61/85/
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Vermutungen angestellt werden können. Als belegter Fakt gilt, dass sie in Heian-kyō (heutiges Kyōto) zur Welt kam. Das Geburtsjahr ist mal mit 970, mal mit 973 angegeben. Sie könnte sowohl im Hauses ihres Vaters (Fujiwara no Tametoki) oder ihres Großvaters mütterlicherseits (Fujiwara no Tamenobu) geboren worden sein. Es ist auch nicht bekannt, ob ihre Eltern überhaupt verheiratet waren, da er noch eine andere Frau mit Kindern hatte und Polygamie in der damaligen Adelsschicht normal war. Belegt ist jedoch, dass die beiden drei Kinder hatten: Murasaki, eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder (Nobunori), bei dessen Geburt die Mutter verstorben sein soll.
Ihre schriftstellerische Begabung soll Murasaki sowohl von ihrer Mutter geerbt haben, aber auch väterlicherseits gab es zuvor 12 in Literatur und Schrift ungewöhnlich begabte Vorfahren. Ihr Großvater (Fujiwara no Kanesuke, 877-933) war als einer der 36 unsterblichen der Dichtgunst aufgenommen worden, ihr Vater war dagegen berühmt für seine Beherrschung der chinesischen Schrift.
Viele der vorhanden, raren Angaben über ihre Kindheit stammen aus vereinzelten Tagebucheinträgen. Es wird einerseits vermutet, dass sie bis 987 (als ihr Großvater in den Priesterstand eintrat) im Haushalt des Großvaters aufwuchs und erst danach zum Vater zog. Dagegen spräche jedoch, dass sie und ihr Bruder in der Kindheit vom Vater in den "Chinesischen Studien" (Literatur und Schrift) unterrichtet wurde und den Bruder darin sogar übertroffen haben soll. Ungewöhnlich war es allemal, dass sie so gebildet war. Damals war es selten, dass Mädchen so umfangreich gebildet waren, ein oberflächliches Wissen in Kunst und Literatur galt als ausreichend. Ihr hoher Bildungsstand lag also außerhalb der gesellschaftlichen Norm.


Erwachsenenalter

996 wurde ihr Vater zum Verwalter der Präfektur Echizen (heute Fukui). Für sie war das eine seltene Gelegenheit, die Hauptstadt zu verlassen- denn als Tochter aus gutem Hause war es ihr untersagt, Reisen rein zum Vergnügen zu unternehmen.
Nach 1 1/2 Jahren kehrte sie zurück nach
Kyōto und heiratete 998 oder 999 Fujiwara Nobutaka (藤原宣孝, 952–1001), einen Cousin 4. Grades, der bereits erwachsene Kinder hatte. 999 kam Murasakis Tochter Kataiko (/Kenshi in der On-Lesung) zur Welt, welche später als Daimi (no) Sanmi (大弐三位, 999–1077) bekannt wurde. Ihr Mann Nobutaka starb dagegen 1001; im Herbst des gleichen Jahres soll Murasaki mit der Verfassung ihres weltberühmten Romanes begonnen haben.
Es gibt Gerüchte, dass die Tochter nach Tod Murasakis das "Genji Monogatari" vollendet haben soll, aber das ist nicht bestätigt.


Leben am Hofe


Am kaiserlichen Hofe: Murasaki Shikibu rollt eine Schriftrolle auf einem kleinen Lacktisch ab; vor ihr auf
einem Kissen die Kaiserin Shoshi (daneben weitere Hofdamen). Künstler: Ginko (1874-1897)

picture: https://www.fujiarts.com/cgi-bin/item.pl?item=766824

Im Jahr 1005 trat sie in die Dienster der Kaiserin Jōtō-mon’in (上東門院, 988–1074, auch bekannt als Fujiwara no Shoshi
). Es war eine große Ehre, aber Murasaki ging nur widerwillig und kehrte nach kurzer Zeit wieder nach Hause zurück. Das Leben am Hofe war nicht so, wie sie es aus Erzählungen gehört und sich vorgestellt hatte. Man war ihr dort kritisch gegenüber eingestellt und es wurde behauptet, ihr Vater hätte sich die Geschichte des Genji Monogatari ausgedacht und sie hätte es nur niederschreiben sollen. Von den anderen Höflingen wurde sie herabgesetzt, die Kaiserin bat sie jedoch zu bleiben und so blieb sie Hofdame in ihrem Dienst. Zudem hatte sie die Unterstützung des Kaisers
Ichijō. Er hielt sie für so intelligent und gebildet, dass er äußerte, dass sie bestimmt das Nihongi gelesen habe, eines der beiden alten historischen Werke der japanischen Geschichte, welches in klassischem Chinesisch verfasst war. Besonders daran war, dass Frauen zur Heian-Zeit weder Chinesisch schreiben oder lesen konnten; sie bedienten sich der Onna-de, der sogenannten "Frauenschrift". Murasaki dagegen besaß die Fähigkeit, Chinesisch zu lesen.

Sie verbrachte viel Zeit damit, ihr Buch zu schreiben, musste sich jedoch auch Pflichten widmen. Zum Beispiel musste sie das Spielen der Koto erlernen, kalligrafisches Schreiben üben oder die Kaiserin unterhalten. Außerdem unterwies sie die Kaiserin in von dem Kaiser und Ministern empfohlenen Werken- darüber hinaus aber auch Heimlich in Sammlungen von Gedichten, von denen sie fand, dass sie aus der Kaiserin eine Frau mit höchsten, moralischen Vorstellungen machte. 1008 begann sie das "Murasaki Shikibu nikki" (
紫式部日記), darin beschrieb sie das Leben am Hof und die Zeit vor sowie nach der Geburt des Kronprinzen Atsuhira.In ihrem Tagebuch dagegen, dass sie 1010 vollendete, schrieb sie ihre Gedanken zu Ereignissen, Veranstaltungen oder ihre Meinung zu anderen am Hofe lebenden nieder.
Man nimmt an, 1011 verließ Murasaki einige Zeit lang das Hofleben, um den Tod ihres geliebten Bruders Nobunori zu verkraften. Wann sie jedoch zurück an den Hof kehrte oder was sie dort bis zu ihrem Tod weiter unternahm, ist unbekannt.



Rivalinnen: Eine weitere Autorin zu Hofe - Sei Shōnagon


Sei Shōnagon lebte ebenfalls am Hofe und war Autorin des "Makura no Sōshi", dem ebenfalls bis heute sehr bekanntem "Kopfkissenbuch". Sie wird beschrieben als selbstsicher, ausgezeichnete Schriftstellerin, aber auch provokant.
Darstellung der Sei Shhōnagon
aus dem 17.Jh.

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So machte sie sich etwa über einen Beamten und dessen Handschrift lustig und sorgte dafür das er zum Gespött wurde (dieser Beamte war der Gatte der kleinen Stiefschwester von Murasaki). Auch der verstorbene Gatte Murasakis kam bei ihr nicht gut weg. Murasaki dagegen, deren Kenntnise der chinesischen Schrift angeblich die von Shōnagon überlegen waren, rümpfte über ihre Texte die Nase und ließ in ihrem Tagebuch kein gutes Wort über sie fallen. Als Grund für die gegenseitige Feindschaft gilt auch, dass beide Damen unterschiedlichen Kaiserinnen dienten. Sei Shōnagon war im Gefolge der ersten Gemahlin des Kaisers, Kaiserin Sadako (oder auch Teishi, 977-1000). Die Familie der Fujiwara standen jedoch an der Macht und Fujiwara Michinaga schaffte es, seine Tochter zur Kaiserin zu machen. Das wiederum war ein schwerer Schlag für die bisherige Kaiserin Sadako und ihr Gefolge, die wiederum dem Gefolge der anderen Kaiserin, dem Murasaki angehörte, nicht wohl gesinnt waren.

So schrieb Murasaki über sie in ihrem Tagebuch beispielsweise:
„Sei Shonagon zum Beispiel war fürchterlich eingebildet. Sie hielt sich selbst für sehr gescheit und streute allerhand chinesische Schriftzeichen in ihre Briefe ein, aber wenn man dann genauer hinsah, so blieb doch allerhand zu wünschen übrig. Wer glaubt, er sei jedem anderen überlegen, wird unausweichlich Leid erfahren und ein schlimmes Ende nehmen, und wer so preziös ist, … in den unpassendsten Situationen jede noch so kleine Möglichkeit wahrzunehmen, um sich herauszukehren, der wirkt bald lächerlich und künstlich. Wie soll das in Zukunft noch enden?“
-
The Diary of Lady Murasaki. Übersetzt von Richard Bowring. Penguin, London u. a. 2005, S. 54


Werke


Neben den berühmten "Genji Monogatari" und "dem Tagebuch der Lady Murasaki" wird ihr
außerdem ein Werk namens "Poetic Memoires", einer Sammlung von 128 Gedichten, zugeschrieben.
Eines von vielen "The Tale of
Genji"-Buchcovern

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Ihre Werke werden als sehr bedeutend angesehen, da ihre Schriften die Entstehung und Entwicklung der japanischen Schrift in einer Zeit widerspiegeln, in der Japanisch von einer ungeschriebenen Umgangssprache zu einer geschriebenen Sprache überging.

Vieles, was wir über Murasaki und ihre Erfahrungen am Hof ​​wissen, stammt aus ihrem Tagebuch, das den Zeitraum von etwa 1008 bis 1010 abdeckt.
Die langen beschreibenden Passagen, decken ihre Beziehungen zu den anderen Hofdamen ab, Michinagas Temperament, die Geburt von den Kaiserlichen Söhnen - eher in Michinagas Villa als im Kaiserpalast - und den Prozess des Schreibens von Genji, einschließlich der Beschreibung, wie neu geschriebene Kapitel an Kalligraphen zur Transkription übergeben weurden. Murasaki ist ein typisches Beispiel für zeitgenössische Hofbücher, die zu Ehren der Gönner geschrieben wurden.

"Poetic Memoirs" dagegen ist eine Sammlung von 128 Gedichten, die Historiker als "in einer biografischen Reihenfolge angeordnet" beschreiben. Der Originalsatz ist verloren gegangen. Nach dem üblichen Brauch / der Sitte damals, wären die Verse von Person zu Person weitergegeben und oft kopiert worden. Einige scheinen für einen Geliebten geschrieben zu sein -möglicherweise für ihren Ehemann, bevor er starb-, aber sie ist möglicherweise nur der Tradition gefolgt und hat einfache Liebesgedichte geschrieben. Sie enthalten allerdings auch biografische Details: Sie erwähnt eine verstorbene Schwester, den Besuch in der Provinz Echizen mit ihrem Vater und das Schreiben von Gedichten für die Kaiserin. Murasakis Gedichte wurden 1206 von Fujiwara no Teika veröffentlicht. Historiker glauben, dass dies die Sammlung ist, die der ursprünglichen Form am nächsten kommt. Etwa zur gleichen Zeit nahm Teika eine Auswahl von Murasakis Werken in eine kaiserliche Anthologie, Neue Sammlungen der Antike und Neuzeit, auf.


Tod

Nicht nur ihr Geburtsjahr, auch ihr Todesjahr sind unbekannt. In verschiedenen Quellen ist mal die Rede von 1014, 1016 oder 1025. Als am wahrscheinlichsten gilt 1016, da ihr Vater in diesem Jahr in ein Kloster eintrat und man glaubt, er habe das aus Trauer um Sohn und Tochter getan.
Ihr Grab soll südlich des Byakugō-in (dem Urin-in zugehörigem Kloster, Kyōto), und westlich des Grabes von Takamura no Ono (Dichter, Gelehrter & Höfling) liegen.


Ehrungen & Erbe

In der Mitte der Kamakurazeit (1185–1333) wurde sie als eine der "Sechsunddreißig
Statue von Murasaki Shikibu neben der
Uji-bashi, eine der ältesten Brücken Japans.


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weiblichen Unsterblichen der Dichtkunst" geehrt, und ab dem 12.Jh. als eine der "Sechsunddreißig Unsterblichen der Dichtkunst des Mittelalters".Schon ein Jahrhundert nach ihrem Tod galt sie als klassische Schriftstellerin.

Im 17. Jahrhundert gar wurde ihr Werk zum Sinnbild der konfuzianischen Philosophie und Frauen wurden ermutigt, es zu lesen.


Murasaki wurde zu einem beliebten Thema in Gemälden und Illustrationen, die sie als tugendhafte Frau und Dichterin hervorhoben. Sie wird oft an ihrem Schreibtisch im Ishimyama-Tempel gezeigt und starrt den Mond an, um sich inspirieren zu lassen. Tosa Mitsuoki machte sie im 17. Jahrhundert zum Thema der hängenden Schriftrollen. Die Geschichte von Genji wurde über Jahrhunderte ein beliebtes Thema japanischer Ukiyo-e-Künstler, wobei Künstler wie Hiroshige, Kiyonaga und Utamaro verschiedene Ausgaben des Romans illustrierten. Während die frühe Genji-Kunst als Symbol für die Hofkultur galt, machten die in Serie hergestellten Ukiyo-e-Drucke die Illustrationen Mitte der Edo-Zeit den Samurai-Klassen und den Bürgern zugänglich. Auch in Emaki (illustrierten Handschriften); Byōbu-e (Siebdrucken),  Filmen, Comics und in der Neuzeit in Manga wird sie immer wieder dargestellt. Liza Dalby schrieb einen fiktiven Roman über Murasaki, in dem sie sich während einer Reise mit ihrem Vater in eine Romanze begibt.


2000 Yen Schein mit den Motiven ihr zu Ehren

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/commons/e/e6/2000_Yen_Murasaki_Shikibu.jpg

2000 wurde der japanische 2000-Yen-Schein auf der Rückseite mit einer Szene aus ihrem "Genji Monogatari" sowie einer künstlerischen Darstellung von ihr in Umlauf gebracht.

2008 wurde in Kyōto ein Jahr lang das 1000-jährige Jubiläum von Genji gefeiert mit Gedichtwettbewerben, Besuchen des Genji-Museums in Uji und des Ishiyama-dera (wo eine lebensgroße Figur von Murasaki an ihrem Schreibtisch gezeigt wurde); Frauen trugen zum Fest den traditionellen 12-lagigen Heian-Jūnihitoe und knöchellange Haarperücken
.




Szene aus dem Genji-Monogatari
Manga


picture: https://static.zerochan.net/Genji.
Monogatari.full.1639063.jpg
Die Autorin und ihre Arbeit inspirierten zu Museumsausstellungen und zu einem Genji-
Manga.Dieser umfasst 13 Bände und stammt von der Zeichnerin Waki Yamato.

Außerdem wurde eine Pflanze mit lila Beeren nach ihr benannt.

Auf dem Jidai-Matsuri ( 時代祭), übersetzt etwa dem Festival der Zeitalter, wird jährlich am 22.Oktober in Kyoto dem Umzug der kaiserlichen Hauptstadt nach Kyoto (im Jahr 794) gedacht. Bei einer Prozession durch die Stadt tragen Darsteller Kostüme berühmter historischer Persönlichkeiten zwischen den Jahren 794 und 1868. Unter anderem kann man dabei auch Murasaki Shikibu und ihre Rivalin bewundern. Das Fest gehört zu den drei größten Festivals der Stadt.

Auch Murasaki Shikibu hat es geschafft, dass sie Japan und auch die Weltliteratur bis weit nach ihrem Tod hinaus, 1000 Jahre später noch, mit ihrem Können geprägt hat.