Sonntag, 4. August 2019

Ono no Komachi - die ewige "Femme fatale" Japans und absolutes Schönheitsideal




Holzdruck von Ono no Komachi

picture: https://files.tofugu.com/articles/japan/
2014-10-10-ono-no-komachi/ono-no-komachi-woodblock-print.jpg
Ono no Komachi (小野小町) galt als berühmteste unter den Schönheiten der Heian-Zeit und war eine bedeutende Dichterin ihrer Zeit. Sie wurde aufgenommen in die "Sechs Besten Waka-Dichtern" und den "Sechsunddreißig Unsterblichen der Dichtkunst". Sie soll etwa 825-900 gelebt haben. Noch heute gilt sie als Synonym weiblicher, japanischer Schönheit und hat diese prägend beeinflusst.

Leben

Über ihr Leben ranken sich viele Legenden, sodass klare, geschichtliche Angaben dazu selten gemacht werden können. Ihr Geburtsort sowie Sterbeort sind unbekannt und auch die Jahre sind nur geschätzt angegeben. Es gibt Überlieferungen, in denen berichtet wird, sie wurde als Tochter eines Bezirksverwalter namens Yoshisada in der Präfektur Akita geboren. Es wird angenommen, sie habe am Hof zu Zeiten des Kaisers Nimmy
ō gelebt.

Optik

Sie war eine Hofdame am kaiserlichen Hof und wohl so schön, stolz und leidenschaftlich, dass man sie bis heute kennt, eine nahezu ewige Femme fatale. Bis heute kann man ihre Geschichte in Legenden oder auch Theaterstücken (No-Theater) verfolgen. Sie soll glänzende Haare bis zum Boden gehabt haben, ein Gesicht einer Blüte gleich und die Augenbrauen fein geformt wie Mondsicheln. Sie erhielt unzählige Liebesbriefe von Verehrern. Doch das schien sie keinesfalls beeindruckt zu haben.
Als Hofdame hatte sie kostbare Gaze- und Damastroben, schritt durch die nach Zedernholz riechenden Hallen und nächtigte in einem Raum, der mit Schildpatt, goldenen Blumen und Kristallperlchen dekoriert war- Eine Erscheinung wie aus einem Märchen.

Die Akita-Schönheit


Ono no Komachi in einer Darstellung von
Eichi (1756-1829), aus der Serie
"Parodies of Six Poetic Immortals"


picture:
https://www.fujiarts.com/cgi-bin/item.pl?item=806839
"Akita-Bijin" (秋田美人), übersetzt etwa "Akita-Schönheit", ist ein Ausdruck, der für wunderschöne Frauen aus der Akita-Präfektur verwendet wurde bzw. wird. Sie sollen das "gewisse Etwas" besitzen, ein bestimmtes Schönheitsideal, und manchmal, wenn die Leute in Japan über ihre ideale Vorstellung einer Frau sprechen oder wer die Schönsten Frauen Japans seien, kommt der Ausdruck vor.

Die idealen Eingenschaften einer Akita-Bijin sind:

  • weiße / blasse Haut
  • ein rundes Gesicht
  • eine gerade Stirn
  • ein doppeltes Augenlid
  • eine kleine Nase 
  • ein kleiner Mund mit aber vollen Lippen
Heutzutage sagen viele Menschen, dass die schöne, zarte Haut von dem Reis und dem Wasser der Region käme. Jedoch fällt in der Region auch sehr viel Schnee: Kurze Sommer, lange Winter sorgen zusätzlich für eine Blässe der Haut. Ein Arzt zumindest führte 1969 Studien dazu durch und fand heraus, dass der "Weißgrad" in dieser Region 29,6% beträgt und im restlichen Japan Durchschnittlich nur 22%. Ein Unterschied ist also schon bewiesen worden.
Angeblich soll Ono no Komachi genau all diese Ideale mitgebracht haben und dieses Schönheitskonzept geprägt haben- bis heute. Zumindest gilt sie als Ideal, als perfekte Schönheit, die von weit her kam um am Kaiserhof zu dienen.

Können

Jedoch war Ona no Komachi nicht nur wunderschön, sondern auch hochintelligent, einflussreich und begabt. Sie soll einen unbeugsamen Willen gehabt haben und zu brennender Leidenschaft fähig gewesen sein. Sie soll Singen, Tanzen, das Koto-Spiel und Kalligrafie beherrscht haben, aber am bekanntesten waren ihre Gedichte. Auch sie schrieb Waka-Gedichte, die bis heute überliefert sind. Ihre Werke gelten dabei als sehr komplex und verdichtet, melancholisch; oft waren es Liebesgedichte, aber auch Texte über Angst, Einsamkeit, Träume und Leidenschaft waren häufig.
Als Metapher für die Vergänglichkeit verwendete sie häufig Blüten oder Blütenblätter.
In der Waka-Anthologie des Kaisers Uda (dem "
Kokin-shū") sind 18 ihrer Lieder enthalten. Das Besondere an ihren Werken ist, dass dazu quasi verschiedene Übersetzungen gemacht werden können, denn sie benutzte Worte, die mehrere Bedeutungen hatten und so unterschiedlichen Sinn erhalten konnten. Pro Gedicht müssten also mehrere Übersetzungen angegeben werden. Hier möchte ich einige Beispiele wiedergeben, die ich genau so auf deutsch oder englisch gefunden habe.

Sie schrieb zum Beispiel über die Unbeständigkeit der männlichen Liebe:
Ono no Komachi in dem
Triptichon: "Drei Königinnen
der japanischen Poesie"
um 1740


picture:
https://collections.mfa.org/objects/233116


"Ein Etwas, das
nach außen unsichtbar
in dieser Welt verblasst,
ist die Blume
des Männerherzens!"

Und über die eigene Leidenschaft etwa schrieb sie:


"So mondlos die Nacht,
Kein Weg ihn zu sehn.
Verlangen quält mich.
Mein Busen pocht, und lodernd
Vergeht mein Herz im Feuer."

Ein weiteres Gedicht von ihr in Übersetzung:

„Die liebliche Farbe
der Blüten ist dahin,
zerstört vom fallenden Regen.
Indes ich, zwecklos
die Tage verlebend, den Blick
entschweifen liess ins Leere.“

Übersetzt von  Karl Florenz: "Geschichte der japanischen Litteratur."
   C.F. Amelangs Verlag, 1906, S. 140f.


Hier eine Gedichtsvariante in Japanisch mit Lesung und Übersetzung:

"花の色は
うつりにけりな
いたづらに
わが身世にふる
ながめせしまに"

"Hana no iro wa
utsurinikeri naitazura ni
wa ga mi yo ni furu
nagame seshi ma ni"



"A life in vain.
My looks, talents faded
like these cherry blossoms
paling in the endless rains
that I gaze out upon, alone"
-
#9 in Fujiwara no Teika's "Ogura Hyakunin Isshu"




Weitere, englische Übersetzungen einiger ihrer Gedichte:

"Now is the time You think to leave me,
I am growing older
Your promises too
Are leaves of turning colors."

Eines ihrer Gedichte eingraviert in einen Stein im
Zuishin-In Tempel


picture:
https://www.japanallover.com/2016/09/
heian-ladies-of-legend-ono-no-komachi-izumi-shikibu/
"Was it that I fell asleep
Longing for him
That he appeared?
Had I known it was a dream

I should not have awakened."

"In a doze I saw
The one I am longing for;
Since then
I have come to rely

On my dreams"

"When I long for him
Oppressed by the thoughts
I have,
I wear my robe,
Jet black as the night,
Turned inside out."

"The color of the blossoms have faded
Vainly, I age through the rains of the world
Watching in melancholy."
- (translation by N. Teele)
Dieses Gedicht entstand wahrscheinlich,
während sie im Zuishin-In Tempel war


Komachi und die Männer

Ono no Komachi hatte viele Verehrer und Liebhaber. Das war damals keinesfalls unüblich, für diese Zeit, dass sowohl Männer, als auch Frauen mehrere Liebhaber hatten. Verheiratet soll sie nie gewesen sein.

Sie ließ sich nur dann auf einen Mann ein, wenn sich dieser ihr als würdig erwies. Einer der

Ono no Komachi umringt von mehreren Männern

picture:
https://files.tofugu.com/articles/japan/2014-10-10
-ono-no-komachi/ono-no-komachi-at-heian-court.jpg
besonders verzweifelt nach ihr war, war ein Mann der kaiserlichen Leibwache. Er sollte 100 Tage lang draußen bei Wind und Wetter vor ihrem Haus auf einer Bank schlafen, auf der sonst nur die Deichsel ihrer Kutsche lag. Erst dann zog sie sein Werben überhaupt erst in Betracht. Er schnitzte jeden vergangen Tag eine Kerbe in die Bank und überstand 99 Tage, ehe er am 100. Tag starb, noch vor dem Lohn seiner Mühen, zumindest laut Legende. (In einer anderen Legende heißt es, er sei am 100. Tag verhindert gewesen und starb vor Traurigkeit darüber).

Zu Komachis Übel starb sie selbst nicht jung als Schönheit, sondern wurde sehr alt. Nach dem Tod des Mannes wurde sie in jener Legende geschmäht, vertrieben und endete als alte Bettlerin im Wahnsinn. Deshalb wird sie im Theater auch zu gern als alte, hässliche Frau, gejagt von den Geistern der Männer die sie verschmähte, dargestellt.

Die Legende der Komachi lehrt, dass Schönheit, ähnlich einer Kirschblüte, vergänglich ist. Komachi und ihr Leben wirkt dabei wie ein Vorläufer der Geisha: Sie war Verführerin von unglaublicher Schönheit, dass Männer nicht wiederstehen konnten- doch ihr zu verfallen, beschwor Unheil herauf. Und so sollte man sich später auch nie in eine Geisha verlieben, wie mehrere Männer im Laufe der Jahrhunderte aussagten...


Tod

Statue & eines der
vermeintlichen Gräber in
Ikaga in Omiya-cho


picutre:
http://www.kiis.or.jp/kansaida/
omiya/omiya02-e.html
Man weiß nicht, ob Komachi wirklich wie in der Legende vom Hofe verjagt wurde. In anderen Legenden heißt es, sie verließ von sich aus den Hof mit Mitte 30 und kehrte nach Yuzawa zurück. Was danach passierte, weiß keiner. Angeblich sei auch dann dem Wahnsinn verfallen und als alte Bettlerin geendet, manche Gelehrte sehen dies aber als falsch oder nicht bewiesen an.

Grabstätten gibt es mehrere angebliche von ihr in Japan, sodass man nicht genau weiß, welches davon ihr wahres Grab sein soll. Unter anderem lassen sich welche in den Präfekturen Miyagi, Fukushima, Shiga, Okayama, und Ibaraki finden. In Kyoto gibt es sogar gleich zwei angebliche.

Ono no Komachi in einer Netsuke-
Holzdarstellung als alte
Frau; aus dem Mit-19. Jh.


picture:
https://www.lempertz.com/de/kataloge/lot/1112-3/
1053-a-fine-wood-netsuke-of-ono-no-
komachi-mid-19th-century.html

Ikaga in Omiya-cho ist beispielsweise einer dieser Orte, an dem sie begraben liegt. Es wird
sich dort gesagt, sie sei im Alter hierher gezogen und auch verstorben. Der dortige Onosan Myoshoji-Tempel hat beispielsweise eine Schriftrolle namens "Ono no Komachi Hime", in der wichtige Informationen ihrer Legende enthalten seien. Der Hügel, von dem angenommen wird das es ihr Grab ist, befindet sich in Hazako, östlich des Eingangs des Stadtteils Ikaga. Es hat zwei Steinmonumente, ein großes und ein kleines; das Große ist mit den Schriftzeichen für "Ono Myosho Taishi" graviert. Nach der Tradition des Onosan-Myoshoji-Tempels erhielt Komachi den posthumen buddhistischen Namen "Myosho". Die Statue von Komachi und die Gedenktafel wurden im Tempel geweiht.

Manch Forscher geht davon aus, dass sie ihre letzten Jahre jedoch in Frieden verbrachte und gar nicht wusste, dass ihre Poesie und ihr Aussehen einen großen Einfluss auf die japanische Geschichte hatte.


Erbe

Seit über 1000 Jahren wird sie als Inbegriff der japanischen Schönheit gesehen und ihre poetischen Fähigkeiten bis heute bewundert.
Wie schon erwähnt findet sie noch heute häufig Erwähnung in der japanischen Literatur aber auch in Theaterstücken.

So etwa in folgenden N
ō-Stücken:
  • Sotoba Komachi (卒都婆小町)
  • Sekidera Komachi (関寺小町)
  • Komachi Uta Arasoi (小町歌争い)
  • Komachi Sōshi (小町草紙) / Sōshi Arai Komachi (草紙洗小町)
  • Kayoi Komachi (通小町)
  • Ōmu Komachi (鸚鵡小町)
  •  Amagoi Komachi (雨乞小町)
  • Kiyomizu Komachi (清水小町)

Auch in Kabuki-Stücken kommt sie vor:

  • Tsumoru Koi Yuki no Aeki no To ( 積恋雪関扉)
  • Saruhodoni koi non omoni (去程恋重荷) 
  • Rokkasen Sugata no Irodori (六歌仙容彩) 
  • Waka no Toku Amagoi Komachi (和歌徳雨乞小町)
Akita "Komachi" Shinkansen

picutre: https://netmobius.freetls.fastly.net/
images-stn-ueno/16-Akita-Shinkansen7.jpg

Desweiteren wurde der Shinkansen der Akita-Region nach ihr benannt: er erhielt den Spitznamen "Komachi" und fährt seit 1997 von Akita nach Tokyo. Der Name wurde von der Öffentlichkeit gewählt.

Der "Akita Komachi" Reis

picture:  http://doka.com.my/images/
Products400/RW-001-F5_400.jpg

Auch benannt nach ihr ist die Reissorte "Akita-Komachi": Er übernimmt nicht nur ihren Namen, er wirbt auch mit dem Bild einer schönen Frau und damit, dass wenn man ihn isst, zu einer "Akita-Bijin" wird. Allerdings kann Ono no Komachi ihn noch nicht gegessen haben, da es die Sorte erst seit den 1980er Jahren gibt.

Ebenfalls eine limitierte Kamera-Auflage der Olympus E-420 wurde nach ihr benannt.

Ein modernes Ein-Frau-Stück von Christie Nieman, das erfolgreich in Australien aufgeführt wurde, ziert ebenfalls ihr Name: "Call me Komachi".

Auch in modernen Werken spielt sie noch Rollen, etwa in dem Anime "Hoozuki no Reitetsu" oder dem Anime und Manga "Chōyaku Hyakunin isshu: Uta Koi" (超訳百人一首 うた恋い).
Es gibt ebenfalls ein Komachi Hotel mit Onsen, dass sogar ein eigenes "Komachi-Theater" hat, wo mehrere Gruppen Theatervorstellungen geben.
 

Die sieben Frauen des Komachi-Festivals

picture: https://www.tohokukanko.jp/lsc/
upfile/spot/0001/0036/10036_4_l.jpg
Allerdings, wem das noch nicht genug war, dem sei gesagt, dass sie sogar ihr eigenes Festival hat: Am Vorabend des Festivals finden eine Feier mit Tanz- und Taiko-Trommeldarbietungen und ein Stück über das Leben der Komachi statt.Das Komachi-Fest findet jedes Jahr im Ono-Distrikt der Stadt Yuzawa statt, am 2. Sonntag im Juni. Bei diesem Fest werden 7 Frauen der Stadt Yuzawa ausgewählt, von denen jede traditionell eingekleidet wird und dann je ein Gedicht von Komachi vorträgt. Vorgetragen werden die Gedichte dabei in einem nach ihr benannten Schrein: dem Komachi-do. Außerdem gibt es eine Prozession mit Kindern in traditioneller, schöner Kleidung. Besucher können die Frauen in der Heian-Tracht fotografieren, während das Festival selbst mit seiner Kunst einen in die Heian-Zeit zurückversetzen soll.


Bis heute also spielt Ono no Komachi auch über 1000 Jahre nach ihrem Tode noch eine große Rolle in Japan.

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